S. Em. Walter Kardinal Brandmüller hat Angrif­fe auf den Zölibat zurückgewiesen. Dabei ging er in einem Artikel auf ein Hauptargument der Gegner der priesterlichen Ehelosigkeit ein: »Zum Beweis dafür, dass Paulus oder die Kir­che der apostolischen Zeit den Zölibat nicht gekannt habe, werden von manchen auch die Briefe an Timotheus und Titus, die sogenann­ten Pastoralbriefe, angeführt. Nun ist in der Tat im 1. Timotheusbrief (3, 2) die Rede vom verheirateten Bischof. Vielfach wird hier der griechische Urtext so übersetzt: „der Bischof sei eines Weibes Mann“, und das wird als Vorschrift verstanden.

Indes genügen selbst bescheidene Kenntnisse des Griechischen, um richtig zu über­setzen: „Deshalb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur einmal verheiratet (= eines Weibes Mann!!), nüchtern, besonnen …“ Ebenso ist im Brief an Titus zu lesen: „Ein Ältester (= Priester, Bischof) soll unbescholten und nur einmal verheiratet sein.“«

Der ehemalige Präsident des Päpstlichen Komitees für die Geschichtswissenschaft erklärte diese Stellen so: »Was mit dieser Weisung ausgeschlossen werden soll, ist, daß einer zum Bischof-Priester geweiht wird, der nach dem Tod seiner Frau ein zwei­tes Mal geheiratet hat (sukzessive Bigamie). Davon abgesehen, daß die nochmalige Heirat eines Witwers allgemein nicht gut angesehen war, kam im kirchlichen Milieu die Überlegung hinzu, daß ein solcher keine Gewähr dafür zu bieten schien, daß er die vom Bischof oder Priester erwartete Enthaltsamkeit zu bewahren vermochte.«

Die ursprüngliche Form des Zölibats bestand darin, daß ein zum Priester oder Bi­schof Geweihter wohl das Familienleben, nicht aber die eheliche Gemeinschaft fort­setzte.

»Dem entsprach es, daß mit Vorzug ältere Männer geweiht wurden. Daß dies alte, geheiligte, auf die Apostel zurückgehende Überlieferung war, bezeugen die Werke kirchlicher Schriftsteller wie Clemens von Alexandrien und der Nordafrikaner Tertul­lian, die um das Jahr 200 lebten.«